Unfälle passieren und sie passieren auch auf dem Arbeitsweg. Deshalb sind Arbeitnehmer in Deutschland auf ihrem Weg von und zur Arbeit gesetzlich unfallversichert.
Wahl des Transportmittels
Der Arbeitnehmer kann für seinen Weg zur Arbeit frei entscheiden, welches Transportmittel er wählt. Das kann sein
- mit dem eigenen Pkw,
- mit einem Firmen-Pkw oder einem Firmentransporter,
- mit dem Motorrad oder ähnlichem,
- mit dem Fahrrad, E-Bike oder Lastenrad,
- mit dem E-Scooter,
- mit öffentlichen Verkehrsmitteln,
- zu Fuß oder
- zusammen mit anderen ein Fahrzeug zu nutzen (Fahrgemeinschaft).
Ein Arbeitsweg ist definiert als der mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Weg sowohl hin als auch zurück. „Allerdings steht im Gesetz nicht, von wo der Arbeitnehmer losfahren und wohin er zurückkehren muss“, sagt Eberhard Ziegler, Referatsleiter Grundlagen des Leistungsrechts bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Man gehe davon aus, dass die meisten Arbeitnehmer von zu Hause starten und auch dorthin zurückkehren.
Direkter Arbeitsweg
Überhaupt fällt, wenn es um den Arbeitsweg geht, oft das Stichwort direkter oder unmittelbarer Weg. Das bedeutet nicht, dass immer die kürzeste Strecke gewählt werden muss. Vielmehr kann auch ein etwas längerer Weg versichert sein, wenn er
- weniger zeitaufwendig
- verkehrsgünstiger,
- sicherer/übersichtlicher/besser ausgebaut oder
- kostengünstiger
ist.
Wann der Versicherungsschutz unterbrochen wird
Pauschal lässt sich hier keine Abgrenzung ziehen. Eberhard Ziegler betont, dass stets der Einzelfall betrachtet werden muss. Der Versicherungsschutz wird unterbrochen, sobald der Arbeitnehmer aus privaten Gründen vom Weg abweicht. Wer auf dem Heimweg also schnell noch einkaufen geht oder anhält, um etwas zu Essen, ist während dieser Zeit nicht versichert. Erst, wenn sich der Arbeitnehmer zurück auf seinem direkten oder unmittelbaren Weg befindet, gilt der Versicherungsschutz wieder.
Ab wann gilt die Unterbrechung
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wird der versicherte Arbeitsweg unterbrochen, „sobald nach außen erkennbar ist, dass man vom Weg abweichen will“, erklärt Eberhard Ziegler. Ist man im Auto unterwegs und setzt den Blinker, um auf den Parkplatz eines Supermarktes abzubiegen, dann ist der Moment des Blinkersetzens der Zeitpunkt der Unterbrechung. Der Versicherungsschutz erlischt.
Lediglich „im Vorbeigehen“ führe eine private Unterbrechung des Arbeitsweges nicht zum Erlöschen des Versicherungsschutzes, so das BSG. Dazu gehört schon nicht mehr der Gang zum Briefkasten. Eine Arbeitnehmerin hatte auf ihrem Arbeitsweg ihr Auto angehalten und war ausgestiegen, um einen Brief in einen Briefkasten einzuwerfen. Als sie beim Aussteigen stürzte und sich verletzte, wurde dies nicht als Wegeunfall anerkannt (BSG, Az.: B 2 U 31/17 R).
Grenze von zwei Stunden
Nachdem der Arbeitnehmer seinen unmittelbaren Heimweg unterbrochen hat, kann der Versicherungsschutz jedoch wieder aufleben. Er kann aber auch endgültig erloschen sein. Dies hängt von der Dauer der Unterbrechung ab. Die Grenze liegt bei zwei Stunden.
1. Die Unterbrechung dauert weniger als zwei Stunden
Wer seinen Heimweg von der Arbeit unterbricht, um einkaufen zu gehen und diese Unterbrechung weniger als zwei Stunden dauert, macht in dieser Zeit eine private und daher unversicherte Unterbrechung. Der Versicherungsschutz setzt erneut ein, sobald sich der Arbeitnehmer wieder auf seinem herkömmlichen Heimweg befindet.
2. Die Unterbrechung dauert länger als zwei Stunden
Wer auf dem Weg nach Hause beispielsweise ins Fitnessstudio geht und dort länger als zwei Stunden trainiert, für den ist das Fitnessstudio an diesem Tag der Endpunkt des Arbeitsweges. Das Fitnessstudio wird zum dritten Ort. Nun steht der anschließende Weg nicht mehr in Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und der Versicherungsschutz setzt für den Rest des Heimweges nicht wieder ein.
3. Der Weg startet oder endet nicht zu Hause
Normalerweise wird davon ausgegangen, dass Ausgangs- und Endpunkt des Arbeitsweges das Zuhause ist. Doch natürlich kann der Arbeitnehmer beispielsweise bei einem Freund oder einer Freundin übernachten, wozu eventuell ein ganz anderer Weg als der sonstige Heimweg eingeschlagen werden muss. Konkret heißt das für den Versicherungsschutz: Hält sich der Arbeitnehmer an diesem anderen Ort für eine erhebliche Dauer auf (mindestens zwei Stunden), tritt dieser dritte Ort an die Stelle des häuslichen Bereichs und der Weg dorthin gilt als Arbeitsweg. Der Arbeitnehmer ist auf dem Weg versichert. Der Versicherungsschutz endet in diesem Fall und an diesem Tag am dritten Ort.
Macht sich der Arbeitnehmer am nächsten Tag von dort aus auf den Weg zur Arbeit, gilt das ebenfalls wieder als Arbeitsweg. Der Arbeitnehmer ist versichert (weil mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängender Weg).
Voraussetzung für die Anerkennung des Weges zum dritten Ort ist allerdings, dass der Weg dorthin in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Arbeitsweg steht. Was nicht der Fall wäre, wenn beispielsweise direkt von der Arbeitsstelle zum mehrere hundert Kilometer entfernten Urlaubsort gefahren würde.
Auch das ist versichert
Versichert ist ebenfalls, wer vom direkten Weg abweicht, um zum Treffpunkt einer Fahrgemeinschaft zu kommen; oder wer eine Kombination aus verschiedenen Verkehrsmitteln nutzt und erst mal in die entgegengesetzte Richtung fahren muss, um zum Bahnhof zu gelangen.
Versichert sind auch Eltern, die vom direkten Weg zur Arbeit abweichen, beispielsweise einen Umweg fahren müssen, um ihre Kinder im Kindergarten, in der Schule oder bei einer Tagesmutter abzusetzen. Gleiches gilt für das Abholen auf dem Heimweg.
Und natürlich sind Arbeitnehmer auch auf Betriebswegen während der Arbeitszeit unfallversichert. Wenn also ein Handwerker mit dem Diensttransporter morgens von zu Hause gleich auf die Baustelle oder zum Kunden fährt, ist er gesetzlich unfallversichert, auch wenn er unterwegs beispielsweise noch Material für den Betrieb einkauft.
Wann beginnt der Versicherungsschutz
Versichert ist ein Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit erst, wenn er das Haus verlässt. „Oder vereinfacht ausgedrückt: Wenn er an die frische Luft kommt“, sagt Eberhard Ziegler. Wohnt ein Arbeitnehmer im 3. Stock eines Hauses und bricht sich auf dem Weg zur Arbeit auf der Treppe im 2. Stock das Bein, ist das also kein Wegeunfall. Umgekehrt gilt das auch für die Rückkehr nach Hause.
Passiert ein Wegeunfall gilt die gleiche Vorgehensweise wie bei einem Arbeitsunfall während der Arbeitszeit. Der verletzte Arbeitnehmer muss einen Durchgangsarzt aufsuchen und den Arbeitgeber über den Wegeunfall informieren.